Swen Riebel ist ein gebürtiger Landauer, der nach seinem Abitur am Otto-Hahn-Gymnasium und dem Zivildienst ein Psychologie-Studium mit dem Schwerpunkt Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Universität Koblenz-Landau aufnahm. Bereits vor und während seines Studiums jobbte er als Werkstudent bei Siemens erst in Speyer, schrieb dann seine Diplomarbeit in München und stieg nach erfolgreich abgeschlossenem Studium in Mülheim an der Ruhr als Personalsachbearbeiter bei Siemens ein. Neben weiteren beruflichen Stationen bei Siemens in Erlangen war er zwei Jahre in Moskau als HR-Manager für die Bereiche Employer Branding, Recruiting sowie Organisations- und Führungskräfteentwicklung in der Region Russland und Zentralasien tätig. Ab 2012 arbeitete er in Nürnberg und verantwortete als Vice President for Human Resources für eine Business Unit mit weltweit rund zwanzig Standorten den HR-Bereich. Seit 2016 ist er als Consultant und Coach selbstständig.
Swen Riebel ist verheiratet und Vater dreier Kinder.
Herr Riebel, Sie haben sich mit Diplom-Psychologie für ein sogenanntes NC-Fach entschieden, die Studienplätze wurden über die Zentrale Vergabestelle vergeben. War Landau als Studienort Ihre erste Wahl?
Landau war in der Tat meine erste Wahl. Ich komme von hier, ich wollte weiterhin als Werkstudent bei Siemens in Speyer arbeiten, insofern war ich sehr dankbar, dass es Landau wurde.
Zu Ihrem studienbegleitenden Job bei Siemens kommen wir gleich, lassen Sie uns erst etwas weiter ausholen – wie ging es für Sie nach dem Abitur weiter?
Ich habe meinen Zivildienst bei der Sozialtherapeutischen Kette gemacht und durfte wegen meiner guten Französischkenntnisse als „Zivi“ im südfranzösischen Narbonne den Bau mehrerer Ferienhäuser begleiten. Hier hatte ich Verantwortung für ein ganzes Team, musste Mitarbeiter führen und Personalentscheidungen treffen. Im Anschluss hatte ich die Chance, praktische Erfahrungen bei der Einführung von teilautonomer Gruppenarbeit – heute agile Organisation - als Werkstudent bei Siemens in Speyer zu sammeln. Hier hatte ich eine Vorgesetzte, die mich aktiv auch inhaltlich eingebunden hat und mich Gruppen betreuen ließ. So konnte ich die Zeit zwischen Zivildienst und Beginn des Studiums optimal nutzen.
Sie starteten also, eher untypisch für einen „Ersti“, mit einiger Praxiserfahrung im Gepäck in Ihr Studium?
Meine erste Vorlesung bei Prof. Dr. Konrad Daumenlang werde ich nie vergessen. Ich stellte Fragen zur vorgetragenen Theorie, fiel Professor Daumenlang damit offenbar auf und er schlug mir vor, die nächste Vorlesung selbst zu bestreiten, gewissermaßen als Praxisreferent. Das war eine prägende Erfahrung! Professor Daumenlang hat dann auch meine Diplomarbeit, die ich bei Siemens in München zum Thema „Führungskräfteentwicklung“ verfasst habe, betreut. Für die Diplomarbeit hatte ich ein Freisemester, die Zeit in München war toll, denn ich hatte Einblicke in die Prozesse der Firma, durfte diese aktiv mitgestalten und habe mich unter anderem dem Thema „Outplacement[1]“ gewidmet. Das war ziemlich neu; davor gab es „Elefantenfriedhöfe“, d.h. Manager, die „nicht mehr passten“ wurden zentral in sogenannten Sonderprojekten geparkt.
Wie ging es nach dem Abschluss weiter?
Mit dem Abschluss ging es dann – zusammen mit meiner damaligen Freundin, heutigen Frau – trotz aller Heimatverbundenheit weg aus der Pfalz ins Ruhrgebiet, nach Mülheim an der Ruhr, ins dortige Siemens-Werk, das Zentrum der Dampfturbine weltweit. Hier stieg ich als Personalsachbearbeiter ein. Mein Arbeitsalltag war teilweise recht international, was mir wegen meiner englischen Sprachkenntnisse zusagte. Mitarbeiter kamen im Rahmen von Delegationen aus dem Ausland zu Siemens nach Deutschland, diese durfte ich neben den ganz normalen Personalthemen betreuen, das hat Spaß gemacht.
Es gab aber auch ganz andere Herausforderungen: Der Enron-Skandal[2] in den USA von 2001 erschütterte den Energiesektor und ging auch an Siemens nicht spurlos vorbei. Bei vielen Unternehmen in der Energiebranche wurden ganze Produktionsstätten heruntergefahren, für viele Mitarbeiter blieb die Arbeit aus. Von ganz oben kam die Ansage am Standort Mülheim kein Personal abzubauen. Stattdessen wurde die örtliche POWER Agentur gegründet, in der mir als stellvertretender Leiter und HR-Vertreter die Aufgabe zukam, die Weiterqualifizierung des Personals durch Umschulungen und zusätzliche Qualifikationen für den Einsatz in anderen Unternehmensbereichen zu organisieren. Stärken und Kompetenzen der Mitarbeiter in diesem Kontext wahrzunehmen, aufzunehmen und gezielt für das Unternehmen einzusetzen, war mir ein besonderes Anliegen.
2005 wechselte ich innerhalb des Unternehmens als Assistent eines für ein weltweites Geschäftsfeld verantwortlichen Personalleiters nach Erlangen. In dieser Funktion verantwortete ich neben anderen Aufgaben den Aufbau eines globalen Kompetenzmanagementsystems, das im Rahmen eines Audits als Weltklasse, weil einzigartig und qualitativ besonders hochwertig, ausgezeichnet wurde. Ein einheitliches Personalsystem auf Knopfdruck abrufbar, das hatten die Auditoren noch nicht gesehen.
Später haben Sie sich einer beruflichen Herausforderung im Ausland gestellt?
Richtig. 2010 ging ich für Siemens nach Moskau; meine Frau und unser knapp zweijähriger Sohn gingen mit. Wir wohnten im „Deutschen Dorf“, einer umzäunten und bewachten deutschen Enklave im Südosten von Moskau mit vielen internationalen Bewohnern. Das erste Jahr der Delegation war sehr turbulent und drohte sogar zu scheitern. Raubüberfälle in unserem Wohnblock, Terroranschläge[3] in der Moskauer Metro und später am Flughafen Domodedovo sowie verheerende Waldbrände[4] erschütterten unseren Alltag. Sowohl unser Sohn als auch ich wurden durch den schädlichen Rauch krank. Wir wollten für die medizinische Versorgung nach Deutschland zurück. Doch die Situation verschärfte sich zunehmend: ausländisches Botschaftspersonal wurde zum Teil ausgeflogen und das Auswärtige Amt sprach eine Reisewarnung für Russland aus. Der Flugverkehr kam durch die starke Rauchentwicklung fast zum Erliegen, es herrschte Ausnahmezustand und es war fast unmöglich, noch einen Platz in den wenigen Maschinen, die Moskau verließen, zu bekommen. Mithilfe von Kontakten in die Luftfahrt und viel Glück konnten wir Moskau schließlich verlassen, ich begab mich in Deutschland in medizinische Betreuung und war nach 14 Tagen leidlich auskuriert, so dass ich zurückkehren konnte. Das war ich auch meinen Mitarbeiterinnen dort schuldig.
Nach diesem turbulenten ersten Jahr wurde es im zweiten Moskau-Jahr besser, wir haben als Familie die Zeit dort dann sehr genossen und in guter Erinnerung.
Nach zwei Jahren ging es zurück nach Deutschland, innerhalb von Siemens, als Vice President for Human Resources?
Richtig. Ich übernahm die Position des globalen Personalchefs für die Siemens Transformatoren im Headquarter in Nürnberg, wo mich als eine neue Aufgabe die Restrukturierung fast aller Standorte weltweit erwartete. Wir hatten vom Vorstand die klare Ansage, die Transformatoren wieder in den grünen Bereich zu bringen. In einem Prozess, der auch für mich Premierencharakter hatte, gelang es, Kapazitäten zu reduzieren und unter anderem durch den Austausch aber auch die Förderung des Top- und mittleren Managements den „Turnaround“, wie es so schön heißt, zu schaffen. Mich freut, dass diese Business Unit 2016 einen siemensinternen Preis als beste Business Unit im gesamten Konzern gewann.
Allerdings stellte sich 2015, sozusagen im Heimaturlaub in der Pfalz, bei mir der Wunsch ein, beruflich etwas Anderes machen zu wollen zusammen mit der Erkenntnis, dass ich „nur“ Siemens kannte, ein tolles Unternehmen, dem ich ohne Zweifel viel verdanke. Dennoch wusste ich, dass ich nach fast zwanzig Siemensjahren etwas Neues machen möchte. Meine Frau hat mich in diesem Findungsprozess sehr unterstützt – und das tut sie noch heute. Es ging mir auch darum, mehr Zeit mit der Familie und den Kindern, die so unglaublich schnell heranwachsen, zu verbringen. Der Wunsch in die Pfalz zurückzukehren war ebenfalls groß, ebenso die Sehnsucht nach mehr Freiheit. Nach sehr guten Coachings, beispielsweise in Österreich im Herbst 2016, wagte ich den Sprung in das zunächst kalte Wasser der Selbstständigkeit. Für jemanden wie mich war das ein großer Schritt, insbesondere das Aufgeben einer scheinbaren Sicherheit – schließlich war ich seit Jahren ein gutes, geregeltes Einkommen gewöhnt. Ein eigenes Netzwerk außerhalb von Siemens aufzubauen war gar nicht so leicht. Anfang 2017 erfolgte neben anderen Dingen der Launch meiner Homepage und LinkedIn Präsenz. Einen Tag später kontaktierte mich meine allererste Kundin – aus Singapur! Ab Ende 2017 nahm mein Business kontinuierlich an Fahrt auf – heute berate ich in ganz Deutschland und zum Teil international Organisationen zu den Themen Führung, Veränderung, Kompetenzentwicklung sowie HR und coache Führungskräfte und Führungsnachwuchskräfte. Zu einigen der Unternehmen habe ich im Laufe der Jahre eine sehr stabile Beziehung aufgebaut. Mein technisches Verständnis ist dabei ebenfalls von Vorteil.
Glückwunsch dazu! Wir freuen uns darüber, dass Sie wieder in der Region sind und sich im Vorstand des Landauer Freundeskreises als Beisitzer engagieren. Was verbindet Sie darüber hinaus mit der Universität?
Im Freundeskreis bringe ich mich gerne ehrenamtlich ein. Er ist eine wichtige Instanz, wenn es um die regionale Sichtbarkeit der Universität geht. Er wird zusätzlich eine wichtige Rolle in der Fusion des Standortes Landau mit der TU Kaiserslautern zur RPTU – Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität spielen.
Darüber hinaus verfolge ich sehr genau die Entwicklung der Universität. Vor kurzem habe ich beispielsweise eine Veranstaltung zu Clickbait der Ringvorlesung „Fakt und Fake“ besucht – das war sehr instruktiv, gewissermaßen vom Allerfeinsten und hat mich wirklich beeindruckt. Ich möchte zukünftig mehr solcher Veranstaltungen besuchen.
Das Alumni-Referat bedankt sich ganz herzlich für das spannende Gespräch und wünscht alles Gute für die Zukunft!
[1] Unterstützung zur beruflichen Neuorientierung für Führungskräfte, die aus einem Unternehmen ausscheiden. [2] 2001 verursachte der amerikanische Energiekonzern Enron, aufgrund von Bilanzfälschungen, einen der größten Unternehmensskandale in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. [3] Am 29. März 2010 verübten kaukasische Terrorgruppen zwei Sprengstoffanschläge an zwei Stationen der „roten“ Linie der Moskauer Metro. [4] Im Juli und August 2010 wüteten in der Region südöstlich von Moskau geschätzte 700 Wald- und Torfbrände. Auslöser war eine extreme Hitzewelle, die die in Russland im großen Ausmaß trockengelegten Sümpfe zum Brennen brachte.
