… im Rathaus bei Philipp Clever, Bürgermeister der Gemeinde Berghaupten seit Oktober 2017
Lieber Herr Clever, als Bürgermeister der Gemeinde Berghaupten im schönen Kinzigtal, sind Sie sicher gut beschäftigt, danke also, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch nehmen.
Sie haben am Campus Landau der Universität Koblenz-Landau studiert – welchen Abschluss haben Sie gemacht?
Ich habe von 2006 bis 2011 in Landau studiert und das Studium der Diplom-Sozialwissenschaften absolviert.
Sie sind in Dillenburg in Hessen aufgewachsen. Können Sie uns kurz schildern, was Sie an den Campus nach Landau verschlagen hat?
In der Oberstufe fand ich es bedauerlich, dass für die Fächer Wirtschaft, Politologie und Soziologie kein Leistungskurs angeboten wurde. Mein Interesse daran wollte ich durch ein Studium vertiefen. Den Ausschlag für die Universität Koblenz-Landau gab die Tatsache, dass hier noch der Erwerb eines Diploms möglich war, während andere Universitäten ähnliche Studiengänge schon im Zuge der Bologna-Reform auf die konsekutiven Abschlüsse Bachelor und Master umgestellt hatten. Den Studienort wähnte ich zunächst in der Nähe von Koblenz, das ja keine 100 km vom heimatlichen Dillenburg entfernt liegt. Dass ich am Campus Landau studieren würde, wesentlich weiter von zu Hause entfernt als ursprünglich gedacht, habe ich erst später realisiert. Bereut habe ich diesen Schritt nie und mich in Landau immer sehr wohl und der Stadt auch nach dem Studium stark verbunden gefühlt.
Waren Sie während des Studiums schon politisch engagiert?
Ich war im Studierendenparlament und habe unter anderem an der Liste "Gerechtes Studieren“ mitgewirkt. Hier durfte ich auch erste politische Erfahrungen ganz praktischer Art sammeln, denn das sogenannte STUPA ist im Wesentlichen ähnlich strukturiert wie ein Gemeinderat, mit dem ich jetzt als Bürgermeister viel und gut zusammenarbeite.
Nach Ihrem Abschluss sind Sie zunächst in Hamburg gelandet, nicht gerade um die Ecke…
Als „frischgebackener“ Diplom-Sozialwissenschaftler habe ich mich bundesweit auf Stellen beworben. Ehrgeiziges Ziel dabei war, aus eigener Kraft und auf Grundlage meiner Qualifikation eine Stelle zu bekommen. Das ist mir dann auch gelungen und ich bin als Referatsleiter in der Abteilung „Wohnen und Bauen“ im Studierendenwerk Hamburg gestartet. Studierendenwerk – das war eine Organisation, mit deren Aufgaben und Zielen ich mich gut identifizieren konnte.
2014 wechselten Sie in eine Behörde und haben in Wilnsdorf (Nähe Siegen, Nordrhein-Westfalen) die Ämter für Schule, Kultur, Sport und Soziales geleitet und teilweise ausgebaut, ein Ausbau, der auch mit dem Flüchtlingsstrom 2015 zusammenhing. Ebenso die Position als Leiter des Amtes für Integration am Landratsamt Karlsruhe, die sie ab 2016 innehatten.
Richtig, ich war Leiter des mit über 220 Mitarbeitern größten Amtes innerhalb des Landratsamtes Karlruhe, das es nicht nur zu leiten galt, sondern das auch erst neu aufgebaut werden musste.
Und nun zur spannendsten Frage überhaupt – wie kam es mit Ihren 31 Jahren 2017 zur Bewerbung als Bürgermeister in der Gemeinde Berghaupten und schlussendlich auch zur Durchsetzung gegen die 3 Mitbewerber und dem daraus folgenden Amtsantritt?
Das Amt für Integration in Karlsruhe war in mehrfacher Hinsicht herausfordernd. Frustrierend war vor allem die Tatsache, dass nach einer Phase des Aufbaus auch schon der Rückbau des Amtes begann, als der Strom der Flüchtlinge nachließ. In diesem Zusammenhang mussten gute Leute, die nur befristet angestellt waren, gehen. Abgesehen davon wünschte ich mir mehr Gestaltungsspielraum und schnellere Entscheidungswege in meinem Beruf. Die Kommunalpolitik ist in Baden-Württemberg etwas anders strukturiert als in Rheinland-Pfalz; der Bürgermeister hat kraft Gesetz eine sehr starke Stellung und viel Entscheidungsspielraum, ein Parteibuch hingegen spielt hier insbesondere bei den kleineren Gemeinden eine eher untergeordnete Rolle, es wird pragmatisch in der Sache und zum Wohle der Gemeinde entschieden. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, Bürgermeister in einer kleineren Gemeinde mit guter Anbindung an die Infrastruktur zu werden und habe mich gezielt umgesehen, in welchen Gemeinden Baden-Württembergs ein solcher Posten frei wird. Berghaupten war und ist ein Match. Wir liegen zwar ländlich-idyllisch, sind aber doch schnell in den größeren Städten der nahen und ferneren Umgebung und verfügen auch mit einer Kindertagesstätte und einer Grundschule über eine gute Infrastruktur und über ein gesundes und reges Vereinsleben vor Ort. Der Gemeinderat arbeitet gut und vertrauensvoll mit der Verwaltung zusammen, parteipolitische Überlegungen haben keinen Einfluss auf die Entscheidungen.
Beachtlich, auch angesichts der Tatsache, dass Sie erst 31 waren, als sie den Posten antraten. Womit konnten Sie bei der Wahl punkten?
Ganz sicher mit meiner Erfahrung aus der Verwaltung und aus der Personalverwaltung und -führung. Aber auch das Alter spielte sicher eine nicht unerhebliche Rolle.
Nun sind Sie seit knapp drei Jahren im Amt. Wann stehen die nächsten Wahlen an?
Die Amtsperiode dauert acht Jahre, wiedergewählt wird in 2025, ich habe also noch nicht einmal die Hälfte meiner Amtszeit hinter mir.
Zeit, um etwas zu bewegen – worauf blicken Sie schon zurück? Was wollen Sie noch erreichen?
Bisher haben wir mit der Erweiterung der Kindertagesstätte erfolgreich in die Kinderbetreuung investiert. Auch ein Jugendtreff wurde geschaffen, um den Jugendlichen in der Gemeinde einen Rückzugsort zu bieten. Jung und Alt sollen gerne in Berghaupten leben – der Ausbau des altersgerechten Wohnens ist mir eine Herzensangelegenheit. Zudem sind wir gerade damit befasst, ein Baugebiet zu erschließen.
Eine Frage noch zum Abschluss - was halten Sie von Netzwerken?
Im vergangenen Jahr wurde das „Netzwerk Junge Bürgermeister“ gegründet. Eine bundesweite Organisation von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern unter 40 Jahren. Dieses Netzwerk ermöglicht einen sehr vielseitigen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz Deutschland, ermöglich somit den Blick über den Tellerrand und öffnet Türen.
Ich habe Kontakt zur Universität über das Alumni-Büro, mittlerweile auch über den Freundeskreis. An dem sogenannten SOWI-Treffen zum 15jährigen Jubiläum des Studiengangs habe ich sehr gerne teilgenommen, es war schön, noch einmal in diesem Kreis zusammenzukommen, Kommilitonen wiederzusehen, neue kennenzulernen, mit den Studierenden ins Gespräch zu kommen. Wenn es zum 20jährigen Jubiläum des Studiengangs wieder ein SOWI-Treffen gibt, werde ich alles dransetzen, um teilzunehmen.
Im letzten Semester durfte ich meine praktische Erfahrung in der Kommunalpolitik im Rahmen eines Lehrauftrags an Studierende weitergeben. Das hat mir große Freude bereitet. Meine Studienzeit in Landau hat mich sehr geprägt, ich bin dankbar und möchte der Universität etwas zurückgeben. Deswegen bin ich auch Mitglied im Freundeskreis der Universität geworden.
Das ist eine schöne Schlussbemerkung. Vielen Dank für das Gespräch.
Philipp Clever ist in Herborn (Hessen) geboren. Nach dem Abitur studierte er am Campus Landau an der Universität Koblenz-Landau Sozialwissenschaften und erwarb einen Diplomabschluss. Nebenher engagierte er sich im Studierendenparlament. Er ist seit Oktober 2017 parteiloser Bürgermeister in der Gemeinde Berghaupten. Er setzte sich gegen drei Mitbewerber direkt im ersten Wahlgang mit 51,19% der Stimmen durch. Clever ist verheiratet, hat zwei Kinder und setzt sich gerne für Bildung und und die Verbesserung der örtlichen Infrastruktur ein.
Berghaupten ist eine Gemeinde im Ortenaukreis (Baden-Württemberg) und liegt am Eingang des Kinzigtals im Schwarzwald. In Berhaupten leben rund 2500 Einwohner, das wirtschaftliche Leben ist aufgrund des milden Klimas geprägt von Weinbau und Tourismus.

