
bei Frau Dr. Lea Heidbreder im Wahlkreisbüro der GRÜNEN in Landau
Erfolgreicher Katastrophenschutz beginnt vor der Katastrophe…
Frau Heidbreder, Sie sind seit Mai 2021 Mitglied des Landtages und haben bereits im ersten Jahr Ihrer Abgeordnetentätigkeit eine herausfordernde Aufgabe übernommen: Den Vorsitz der Enquete-Kommission „Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge“, die nach der Flutkatastrophe im Ahrtal ihre Arbeit aufgenommen hat und gestern in der Plenarsitzung des Landtages einen Zwischenbericht vorgelegt hat. Worauf blicken Sie damit zurück?
Ich blicke auf ein Jahr Aktivität zurück. Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat mich persönlich berührt – es gibt tragische Einzelschicksale, eine ganze Region hat eine dramatische kollektive Erfahrung gemacht. Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Zugleich hat die Flut im Ahrtal einmal mehr gezeigt, dass der Klimawandel ernsthafte Folgen mit sich bringen kann. Die Flutkatastrophe ist nicht rückgängig zu machen, in dieser Enquete-Kommission geht es vor allem darum, wie wir uns künftig im Land für derlei Katastrophen besser aufstellen wollen, unter diesen Zukunftsvorzeichen hat die Kommission gearbeitet.
Wie sind Sie zu dem Kommissionsvorsitz gekommen?
Das ist genau genommen eine Formalität. Turnusgemäß waren wir als Grüne dran, einen Vorsitz bei einem weiteren Ausschuss zu übernehmen. Meine Fraktion hat mich dann für die Kommission benannt, da ich die inhaltlich-thematische Passung hatte. Es war von Vornherein klar, wenn ich in diese Kommission gehe, übernehme ich auch den Vorsitz.
Wie hat man sich die Arbeit einer solchen Kommission vorzustellen?
Die Kommission setzt sich aus elf Landtagsabgeordneten sowie sechs Sachverständigen Mitgliedern zusammen. Die Sachverständigen Mitglieder kommen aus Wissenschaft und Praxis. Das sind Vertreter aus der Bauwirtschaft, der Landwirtschaftskammer, der kommunalen Familie, aus Ingenieurbüros zu Hochwasservorsorge und dem Brand- und Katastrophenschutz. Die Beiträge dieser Kommissionsmitglieder habe ich als besonders wertvoll empfunden. Insgesamt war die Stimmung in der Kommission konsensuell und kollegial, über die Parteigrenzen hinweg, darauf hatten wir uns verständigt, das sind wir den Menschen im Ahrtal schuldig.
Wir haben uns in den letzten zwölf Monaten in bislang acht, auch online übertragenen, Sitzungen dazu ausgetauscht, wie wir uns im Land für Katastrophenfälle künftig rüsten wollen. Zu den einzelnen Sitzungen werden immer weitere Sachverständige eingeladen, die Stellungnahmen abgeben.
Was sind die Erkenntnisse, was empfiehlt die Kommission für die Zukunft?
Die Empfehlungen gehen in die Richtung, den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz zu modernisieren und anzupassen. Wie in anderen Bereichen auch spielt Prävention eine entscheidende Rolle - ein erfolgreicher Katastrophenschutz beginnt vor der Katastrophe! Sehr summarisch gesagt muss das Landeskatastrophenschutzgesetz angepasst werden. Außerdem sollte ein neues Kompetenzzentrum eingerichtet werden, das Knowhow und Aktivitäten bündelt. Der Katastrophenschutz muss in kommunaler Hand bleiben, wir brauchen aber auch Richtlinien für übergreifende Situationen, so dass das Land im Ernstfall die Sache schneller in die Hand nehmen kann. Wichtig ist auch, dass die Bevölkerung viel stärker eingebunden wird und wir das Bewusstsein schärfen, was im Ereignisfall zu tun ist, zum Beispiel mit dem bundesweiten Warntag.
Im zweiten Teil der Kommission, der nun folgt, werden wir uns mit Klimawandelanpassung und Hochwasserschutz beschäftigen.
So, wie ich Sie einschätze, haben Sie nicht nur „einsam“ mit Experten und Abgeordnetenkollegen in Sitzungen über das Thema diskutiert und Lösungen erarbeitet, sondern haben auch das Gespräch mit den Betroffenen vor Ort gesucht?
Natürlich habe ich mit den Menschen im Ahrtal gesprochen! Auch mit der Enquete-Kommission waren wir vor Ort und haben uns Infrastrukturprojekte angeschaut. Ich erlebe gerade beim Thema Wiederaufbau einen sehr großen Tatendrang bei den Menschen vor Ort. Das Ahrtal möchte Vorreiter werden in punkto angepasster Klima- und Katastrophenschutz.
Was steht neben dieser Enquete-Kommission noch auf Ihrer politischen Agenda?
Wir haben das kommunale Investitionsprogramm zu Klimaschutz auf den Weg gebracht. Das Land stellt den Kommunen 250 Millionen Euro für den Klimaschutz in den Kommunen zur Verfügung. Damit können Kommunen zum Beispiel in Photovoltaikanlagen, Fahrradabstellplätze oder energetische Sanierungen investieren. Für Landau sind das 2 Millionen Euro. Ein weiteres Thema von mir ist die Mobilität. Rheinland-Pfalz wird sich an der Finanzierung des 49 €-Tickets beteiligen, dafür habe ich mich stark gemacht. Jetzt geht es auch darum, das Bus- und Bahnangebot weiter auszubauen. Ich bin auch für Bauen und Regionalplanung zuständig. Wir haben z.B. eine Landesordnung beschlossen, die Schottergarten verbietet, das ist ökologisch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Im Bereich Hochschule hat mich besonders die Hochschulstrukturreform beschäftigt und die Entlastungen für Studierende in der aktuellen Energiekrise
Sie sind hier in der Landauer Politik in einer anderen Koalitionskonstellation unterwegs als auf Landesebene - wie gehen Sie damit um, dass Sie sozusagen zweierlei Koalitionshüte aufhaben bei ihrer politischen Aktivität?
In der Arbeitsweise wirkt sich das kaum aus, denn die Gremien funktionieren ähnlich. Ich finde die politische Auseinandersetzung auf jeder Ebene spannend – Politik hat viel mit Verhandlungen und dem Ringen um gute Lösungen zu tun. Landes- und Stadtratsthemen ergänzen sich dabei gut, weil die Landesebene häufig unterstützt, was vor Ort umgesetzt wird. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass ich in meiner Arbeit als Landtagsabgeordnete hauptberuflich tätig bin und als Stadträtin im Ehrenamt.
Sie haben in Jena und in Kassel Psychologie studiert und hier im Fachbereich 8: Psychologie promoviert. Wie können Sie das, was Sie im Studium gelernt haben, in Ihre politische Arbeit einbringen?
Psychologin zu sein, ist sicher nicht kontraproduktiv für meine politische Arbeit. Menschen motivieren und mitnehmen, das ist schließlich das A und O jeden politischen Wirkens. Ich habe über Verhaltensänderungen promoviert und bin in meiner Promotion der Frage nachgegangen, wie Menschen motiviert werden können, ihren Plastikkonsum zu reduzieren.
Das ist ein spannendes und sehr aktuelles Thema. Können Sie in drei Sätzen sagen, was Sie in Ihrer Promotion herausgefunden haben?
Kurz zusammengefasst: Um Gewohnheiten zu durchbrechen, hilft es, sich Gelegenheitsfenster zunutze zu machen. Die Fastenzeit kann zum Beispiel ein Gelegenheitsfenster sein, den Plastikkonsum zu reduzieren. Weitere Faktoren wie eine moralische Überzeugung, das richtige zu tun und auch die Überzeugung, eine Verhaltensänderung umsetzen zu können, unterstützen das umweltfreundlichere Verhalten.
Sie sind sehr jung in die Politik gekommen, fast direkt aus dem Hörsaal in den Landtag. War das schon immer ein Berufsziel?
Bevor ich in den Landtag gekommen bin, war ich vier Jahre Dozentin an der Universität. Das Berufsziel, Politikerin zu werden, habe ich nicht gehabt, es ist vielmehr so, dass ich nun mein Hobby zum Beruf machen konnte – wofür ich sehr dankbar bin. Das Thema Umwelt und Klimaschutz beschäftigt mich schon sehr lange, seit meiner Schulzeit. Ich war ja schon in der Greenpeace Jugend aktiv und wollte beruflich etwas für den Umweltschutz tun. Das kann ich nun als Landtagsabgeordnete.
In der gestrigen Plenarsitzung des Landtages haben nur Männer das Wort ergriffen und eben Sie. Wie oft sind Sie „allein unter Männern?“
Immer noch viel zu oft, besonders in meinen Schwerpunktthemen Bauen und Mobilität. Hier sind die Frauen leider deutlich unterrepräsentiert. Daran muss sich unbedingt was ändern.
Frau Heidbreder, ich danke Ihnen für Ihre Offenheit. Ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg bei allem, was Sie anpacken. Danke für die Gastfreundschaft, danke für das Gespräch!
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Dr. Lea Heidbreder stammt aus Bielefeld. Sie hat in Kassel und in Jena Psychologie studiert und an der Universität in Landau in der Interdisziplinären Forschungsgruppe „Umwelt“ promoviert. Ihre Arbeit zu „Mitigation of plastic consumption - Creating a ‘window of opportunity’ to change habitual behavior“ wurde in 2022 als beste Dissertation mit dem Preis des Landauer Freundeskreises ausgezeichnet. Sie engagiert sich schon lange politisch und ist seit 2013 Mitglied der Bündnis 90/Die Grünen. Seit 2019 ist sie für die GRÜNEN im Landauer Stadtrat, seit Mai 2021 ist sie Landtagsabgeordnete.
Das Interview wurde am 25.11.2022 geführt.